Juni ist Pride Month – und der bedeutet weit mehr als nur Regenbogenfahnen.
Pride steht für Sichtbarkeit, Vielfalt und das selbstbestimmte Feiern queerer Identitäten. Es ist Protest, Erinnerung und Empowerment zugleich – und damit viel mehr als ein buntes Event. Doch welche Verbindung gibt es zwischen Pride und Piercings?
Eine tiefere, als viele vermuten.
Die heutige Piercingkultur – professionell, künstlerisch, individuell – entwickelte sich nicht im luftleeren Raum. Sie ist eng mit queeren, alternativen und subkulturellen Bewegungen verwoben. Ihr Ursprung liegt in der Suche nach Selbstbestimmung, Abgrenzung von Normen und dem Wunsch, Identität sichtbar zu machen.
Pride und Körper als Ausdruck politischer Haltung
„Pride“ ist das stolze Gegenstück zu einer Geschichte von Diskriminierung, Unsichtbarmachung und Scham. Es ist ein bewusster Akt der Selbstbehauptung – genauso wie ein Piercing. Für viele queere, trans, nicht-binäre oder nonkonforme Menschen ist Körperschmuck weit mehr als ein Accessoire. Er ist Teil der Selbstdefinition, Ausdruck der Zugehörigkeit und ein Symbol für Körperautonomie.
Piercing als Akt des Widerstands – seit Stonewall
Der Pride Month erinnert an die Stonewall-Aufstände im Juni 1969. Als Polizeigewalt gegen queere Menschen in der Bar „Stonewall Inn“ eskalierte, wehrte sich die Community zum ersten Mal öffentlich – ein Wendepunkt für die LGBTQIA+-Bewegung. Die folgenden Proteste ebneten den Weg für ein neues Selbstverständnis: queer, laut, sichtbar.
Von Stonewall zu „The Gauntlet“ – die queeren Wurzeln der Piercingszene
In den 1970er-Jahren gründete Jim Ward in Los Angeles das erste professionelle Piercingstudio der westlichen Welt: „The Gauntlet“. Es wurde schnell zu einem Safe Space für queere Menschen. Hier ging es nicht nur um Ästhetik – sondern um Identität, Körperfreiheit und Gemeinschaft. Piercing war eine Form des Empowerments, ein Ausdruck von Stolz – besonders für Menschen, die sich in der dominanten Schönheitskultur nicht wiederfanden.
Ein sichtbares Zeichen von Zugehörigkeit
Lange bevor queere Symbole im Mainstream ankamen, nutzte die Community Codes, um sich zu erkennen: Kleidung, Tattoos – und Piercings. Sie waren diskrete Hinweise auf Zugehörigkeit und Orientierung in einer oft feindlichen Umgebung. Ein Beispiel dafür: das sogenannte „Gay Ear“ – ein einzelnes Piercing am rechten Ohrläppchen, das schwule Männer als queeres Erkennungszeichen nutzten.
Piercings als Form geschlechtlicher Selbstbestätigung
Einfache Ohrlochstechungen, beidseitig getragen, galten als femininer Code – eine subtile Feier von Weiblichkeit. Für viele trans Frauen war es ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zur geschlechtlichen Affirmation. Doch auch außerhalb binärer Vorstellungen wirken Piercings geschlechtsbestärkend: Sie helfen dabei, das eigene Körperbild zu gestalten – unabhängig von gesellschaftlichen Vorstellungen.
Sichtbarkeit ist politisch – Körpermodifikation auch
In einer Welt, die queere Körper normieren oder unsichtbar machen will, wird der eigene Körper zur Projektionsfläche des Widerstands. Piercings, Tattoos oder andere Modifikationen sind Zeichen: „Ich bin hier. Ich entscheide. Ich zeige mich.“
Was einst rebellisch war, ist heute gesellschaftlich akzeptiert – doch der Ursprung bleibt spürbar. Piercings erzählen Geschichten von Mut, Zugehörigkeit und Individualität. Sie feiern Vielfalt – genau wie Pride.
Piercingstudios als Safe Spaces
Queerfreundliche Piercingstudios sind mehr als nur Orte für Körperkunst. Sie sind Treffpunkte, Schutzräume und Gemeinschaftszentren. Piercerinnen sind oft auch Gesprächspartnerinnen, Unterstützer*innen, manchmal sogar Bezugspersonen.
Besonders für trans, nicht-binäre und gender-nonkonforme Menschen kann ein Piercing ein starkes Mittel sein, den eigenen Körper wieder zu erobern. Es ist ein sichtbares Zeichen von Selbstbestimmung und Stolz.
Ein Piercing kann mehr sagen als Worte:
- „Ich entscheide über meinen Körper.“
- „Ich bin sichtbar – und das ist gut so.“
- „Ich feiere, wer ich bin.“
Pride geht unter die Haut
Ob du selbst Piercings trägst oder nicht – im Pride Month geht es um mehr als äußeren Ausdruck. Es geht um die Freiheit, sich selbst zu definieren. Piercings sind Ausdruck dieser Freiheit. Sie erzählen stille, kraftvolle Geschichten von Transformation, Zugehörigkeit und Empowerment.
Sie begleiten auf ganz persönlichen Reisen: Coming-Out, Transition, das Finden eigener Pronomen oder das Ablehnen gesellschaftlicher Kategorien.
Pride heißt auch: Du bist genau richtig, so wie du bist. Und dein Piercing? Das ist ein Teil dieser Geschichte – bunt, mutig, stolz.